Denken Sie über die folgenden Szenarien nach.
- Helle Lichter
- Laute oder unerwartete Geräusche
- Der Geruch von Parfüm/Aftershave von jemandem
Wie fühlen Sie sich dabei?
Wir alle unterscheiden uns darin, wie die von der Außenwelt eingehenden sensorischen Informationen auf uns wirken. Einige von uns können die oben genannten sensorischen Situationen gut verkraften, während andere sie als überwältigend empfinden würden. Diese Erfahrung wird als sensorische Sensibilität bezeichnet.
Menschen neigen dazu, ihre sensorische Empfindlichkeit über alle Sinne (Geschmack, Berührung, Geruch usw.) zu erleben, wobei die Bandbreite von Über- bis Unterempfindlichkeit reicht (Robertson & Simmons, 2013). Wir können uns das als Über- bzw. Unterreaktivität vorstellen. Jemand, der zum Beispiel überempfindlich auf das Sehen reagiert, meidet vielleicht aktiv helles Licht. Umgekehrt kann jemand, der visuell hyposensibel ist, auf helles Licht nicht reagieren und aktiv nach zusätzlichen Reizen suchen (z. B. mit den Fingern vor den Augen schnippen). Über- und Unterempfindlichkeiten treten bei ein und derselben Person auf, und zwar entweder sinnesübergreifend (z. B. Vermeidung von hellem Licht, aber Suche nach Gerüchen) oder innerhalb ein und desselben Sinnes (z. B. Abneigung gegen laute Geräusche, aber Abspielen desselben Liedes in der Wiederholung).
Wir unterscheiden uns nicht nur in unseren Reaktionen auf die von der Außenwelt eingehenden sensorischen Informationen, sondern auch in der Lebendigkeit der abgebildeten sensorischen Informationen, d. h. in unserer geistigen Vorstellungskraft. Bei manchen Menschen ist die mentale Vorstellungskraft außergewöhnlich stark und fast so lebendig wie die reale Wahrnehmung, während sie bei anderen praktisch oder gar nicht vorhanden ist – eine Erfahrung, die als Aphantasie bekannt ist (Zeman, Dewar, & Della Sala, 2015).
In unserer kürzlich in der Zeitschrift Perception veröffentlichten Arbeit haben wir untersucht, ob die Art und Weise, wie wir uns sensorische Informationen vorstellen, damit zusammenhängt, wie wir sensorische Informationen in der realen Welt erleben oder wahrnehmen. Mit anderen Worten: Gibt es einen Zusammenhang zwischen mentalen Bildern und sensorischer Sensibilität?
Was ist die Verbindung zwischen mentaler Vorstellungskraft und sensorischer Empfindsamkeit?
In unserer Studie wollten wir zunächst untersuchen, ob Menschen mit Aphantasie dazu neigen, eine geringere Vorstellungskraft in allen Sinnesbereichen zu haben (nicht nur im visuellen Bereich). Wenn dies der Fall ist, könnten wir das Niveau der sensorischen Sensibilität bei Menschen mit und ohne Aphantasie vergleichen, um die Frage nach dem Zusammenhang zwischen mentaler Vorstellungskraft und sensorischer Sensibilität zu beantworten.
Wir haben herausgefunden, dass Aphantasiker im Vergleich zu Menschen mit visueller Vorstellungskraft tendenziell über ein geringeres Maß an Vorstellungsbildern in allen Sinnesbereichen (Geschmack, Berührung, Geräusch, Geschmack, Körperempfindung, Gefühl) berichten, und dass diese Schwächen in der Vorstellungswelt oft so schwerwiegend sind, dass sie als “aphantasieähnlich” (d. h. nicht vorhanden oder schwach/vage) eingestuft werden. Diese Befunde zeigen, dass Menschen mit Aphantasie häufig eine schwache Bildwahrnehmung mit mehreren Sinnen (nicht nur im visuellen Bereich) erleben. In unserem Artikel wird ein neuer Begriff – Dysikonesie – vorgeschlagen, um einen umfassenderen Phänotyp für eine schwache oder fehlende Vorstellungskraft über mehrere Sinne hinweg zu charakterisieren. In diesem Zusammenhang ist die visuelle Aphantasie (schwaches visuelles Vorstellungsvermögen) eine Unterform der Dysikonesie (Dance et al., 2021).
Anmerkung des Herausgebers: Das Aphantasia Network bezeichnet die Erfahrung abwesender Bilder in allen Sinnen als multisensorische Aphantasie. Wenn Sie nicht in der Lage sind, mentale Repräsentationen eines Sinnes, sei es visuell oder anderweitig, zu erzeugen, dann leiden Sie möglicherweise an einer multisensorischen Aphantasie.
Darüber hinaus stellten wir fest, dass Menschen mit Aphantasie auch ein geringeres Maß an sensorischer Sensibilität aufweisen, einschließlich weniger Hyper- und Hyposensibilitäten. Das bedeutet, dass Aphantasiker weniger wahrscheinlich helles Licht als blendend empfinden bzw. weniger wahrscheinlich auf helles Licht unterempfindlich sind. Als wir jeden der Sinne einzeln untersuchten, berichteten Aphantasiker über eine geringere sensorische Sensibilität bei fast allen getesteten Sinnen. Der einzige Sinn, bei dem Aphantasten das gleiche Maß an sensorischer Sensibilität angaben wie Menschen mit visuellem Vorstellungsvermögen, war der auditive (akustische) Bereich.
Diese Ergebnisse zeigen zum ersten Mal, dass mentale Bilder und sensorische Sensibilität miteinander verknüpft sind: Die Lebendigkeit unserer mentalen Bilder scheint mit dem Grad unserer sensorischen Sensibilität zusammenzuhängen (d. h. eine geringere Bildhaftigkeit ist mit einer geringeren sensorischen Sensibilität verbunden).

Messung der sensorischen Empfindlichkeit mit Hilfe der Blendmusteraufgabe
Um weitere Beweise für den Zusammenhang zwischen Bildern und sensorischer Sensibilität zu erbringen, haben wir einer neuen Gruppe von Teilnehmern eine verhaltensbezogene Messung der sensorischen Sensibilität gegeben, die als Blendmusteraufgabe bekannt ist (Ward et al., 2017).
Bei dieser Aufgabe wurden den Teilnehmern drei Arten von Bildern (auch Gitter genannt) gezeigt, die aus gestreiften parallelen Linien bestanden. Wichtig ist, dass zwei der Gitter so gestaltet waren, dass sie visuelle Sensibilität hervorrufen (Gitter mit mittlerer und hoher räumlicher Frequenz). Wir haben die sensorische Sensibilität gemessen, indem wir den Grad des visuellen Unbehagens und die Anzahl der visuellen Effekte (z. B. Flimmern, Blinken), die die Teilnehmer beim Betrachten der Gitter wahrnahmen, untersucht haben.
Wir fanden heraus, dass Aphantasiker weniger sensorische Empfindlichkeiten haben als Menschen mit visuellen Bildern. Insbesondere berichteten Aphantasiker über weniger visuelles Unbehagen als Reaktion auf das Gitter mit hoher räumlicher Frequenz und weniger visuelle Effekte als Reaktion auf die Gitter mit hoher und mittlerer räumlicher Frequenz. Dies zeigt, dass Aphantasiker weniger empfindlich auf diese reizenden visuellen Gitter reagieren als Personen mit visueller Vorstellungskraft, was einen weiteren Beweis für den Zusammenhang zwischen Vorstellungskraft und Empfindlichkeit liefert.

Weniger sensorische Überwältigung bei Aphantasie: ein möglicher Vorteil?
Insgesamt zeigt unsere Studie, dass die Lebendigkeit der mentalen Bilder das Niveau der sensorischen Sensibilität vorhersagt: Menschen mit Aphantasie berichten nicht nur über Schwächen in der Wahrnehmung mehrerer Sinne (und nicht nur des Sehens), sondern auch über eine geringere sensorische Sensibilität. Diese Ergebnisse deuten daher darauf hin, dass Menschen mit Aphantasie im Durchschnitt weniger von der sensorischen Welt überwältigt sind als Menschen mit visuellen Bildern (Dance, Ward, & Simner, 2021).
Was kommt als Nächstes?
Unsere Forschung im Imagery Lab an der University of Sussex untersucht, wie Aphantasie zahlreiche sensorische, wahrnehmungsbezogene und kognitive Prozesse beeinflusst. Wir untersuchen zum Beispiel, wie sich Aphantasie auf die sensorische Sensibilität, die Gesichtswahrnehmung, den Denkstil, das Körpergefühl und die Sorgen/Angst auswirkt und wie sich Aphantasie mit anderen neurologischen Entwicklungsmerkmalen wie Synästhesie und Autismus-Spektrum-Störungen überschneidet. Wenn Sie wissen möchten, welche Möglichkeiten Sie haben, an unserer Forschung teilzunehmen, brauchen Sie nur diesen kurzen Fragebogen über sich und Ihre mentalen Bilder auszufüllen. Und wenn Sie Fragen haben, können Sie uns gerne kontaktieren (c.dance@sussex.ac.uk).